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Tierhaltung und die Haltung zum Tier

Tierwohl
Tierwohl bedeutet frei von Hunger, Durst und Fehlernährung, frei von Schmerz, Verletzungen und Krankheiten, frei von Unbehagen von Angst oder Stress und die Möglichkeit zu natürlichem Verhalten. (Konzept der 5 Freiheiten / Kriterien für weltweites Tierwohl) © Thomas Feldhaus

In Studien bekennen sich Deutschlands Verbraucher immer recht deutlich zu einer Landwirtschaft die hohe Tierschutzstandards einhält. Dafür sei man auch bereit mehr Geld auszugeben. Die Praxis sieht anders aus. Der Verbraucher will vor allen Dingen billig und der Handel liefert.

Transparenz für mehr Tierwohl

Im Frühjahr 2019 haben die großen deutschen Supermarktketten eine eigene Haltungskennzeichnung eingeführt. Ziel der Initiative war es, mit mehr Transparenz den Verbraucher aufzuklären und auf diesem Weg mehr Tierwohl in den Ställen durchzusetzen. Wenn der Verbraucher über die Haltungsbedingungen informiert wird, kann er sein Verhalten anpassen, so die Logik dahinter. Was bei Eiern erfolgreich war, sollte nun auch beim Fleisch funktionieren. Wenn die Gleichung stimmt, dass das Angebot der Nachfrage folgt, dann fällt das Fazit nach den ersten neun Monaten vernichtend aus.

Rund 88 Prozent des Frischfleischs in den Supermärkten stammt nach wie vor von Tieren, die unter qualvollen und häufig gesetzeswidrigen Bedingungen gehalten wurden. Auf den Verpackungen ist das Fleisch von diesen Tieren mit der Haltungsform 1 oder 2 gekennzeichnet. Das bedeutet Stallhaltung bzw. Stallhaltung Plus und wird einem Großteil der Verbraucher nicht viel sagen.

“Es ist erschreckend, wie viel Tierleid noch immer im Sortiment der Supermärkte steckt. Billigfleisch schadet Umwelt, Klima und Gesundheit. Der Handel muss Fleisch aus klimaschädlicher und tierschutzwidriger Produktion aus den Regalen nehmen.”

Stephanie Töwe, Landwirtschaftsexpertin von Greenpeace.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Für den Report „Supermarkt-Check: Regale voller Billigfleisch“ hat sich Greenpeace bei Aldi Nord, Aldi Süd, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto, Penny, Rewe und Real schriftlich nach der Umsetzung der freiwilligen Kennzeichnung informiert und daraus ein Ranking erstellt.

Alle Supermärkte schneiden schlecht ab

Mit lediglich 179 von insgesamt 1.000 möglichen Punkten führt Kaufland das Feld an. Edeka, Netto und Real sind die Schlusslichter. Real hat die freiwillige Kennzeichnung gar nicht eingeführt und keine weiteren Aussagen getroffen. “Es ist erschreckend, wie viel Tierleid noch immer im Sortiment der Supermärkte steckt“, sagt Stephanie Töwe, Landwirtschaftsexpertin von Greenpeace. „Billigfleisch schadet Umwelt, Klima und Gesundheit. Der Handel muss Fleisch aus klimaschädlicher und tierschutzwidriger Produktion aus den Regalen nehmen.”

Frischfleisch in Supermärkten kommt überwiegend aus schlechter Tierhaltung.
Frischfleisch in Supermärkten kommt überwiegend aus schlechter Tierhaltung. Quelle: Greenpeace- Report „Supermarkt-Check: Regale voller Billigfleisch“

Das System der freiwilligen Kennzeichnung für die Haltungsbedingungen bei Geflügel, Schweinen und Rindern, besteht aus vier Kategorien. Stufe 1 entspricht dabei der Stallhaltung und dem gesetzlichen Mindeststandard, ebenso wie die unwesentlich besser ausgestattete Stufe 2, die allerdings den Anforderungen der Initiative Tierwohl entspricht. Beide Stufen hält Greenpeace für tierschutzwidrig. In der Stufe 3 nennt sich die Haltung Außenklima. Das bedeutet eine sogenannte Stallhaltung mit einer offenen Frontfläche. Unter idealen Bedingungen können die Tiere aus dem Stall – Voraussetzung ist das allerdings nicht. Schon die schöne Aussicht würde für diese Haltungsstufe ausreichen. In der vierten Stufe werden die Tiere nach den Kriterien des Europäischen Biosiegels gehalten.

Laut Greenpeace-Abfrage setzen die Supermärkte (außer Real) die Kennzeichnung weitestgehend um. Schwachstelle ist in den meisten Supermärkten noch die Frischtheke. Lediglich bei Kaufland wird an der Theke vollständig gekennzeichnet. Auch verarbeitetes Fleisch wie Wurst-, Convenience- und Tiefkühl-Produkte sowie Frischfleisch der Fremdmarken werden kaum oder gar nicht gekennzeichnet. Vage blieben die Supermärkte zudem bei der Frage nach Umstellung auf besseres Fleisch. Bei Schwein und Rind will Lidl bis 2022 bzw. 2025 auf die schlechteste Haltungsform 1 verzichten. Aldi Nord, Aldi Süd, Rewe und Penny planen dies ebenfalls, allerdings ohne Zeitangabe.



EU-weites Tierwohlkennzeichen

Greenpeace fordert von der Politik eine verpflichtende Kennzeichnung, um den Verbrauchern eine  bewusstere Kaufentscheidung im Supermarkt zu ermöglichen. „Das versucht Landwirtschaftsministerin Klöckner bislang zu verhindern”, sagt Stephanie Töwe. Die Ministerin will eine einheitliche Kennzeichnung nicht nur auf Bundesebene, sondern ebenso in der Europäischen Union. Beim Treffen der Agrarminister warb Klöckner bei ihren europäischen Kollegen um Unterstützung für ein EU-weite Kennzeichnung. „Der Aufforderung an die Europäische Kommission nach einem EU-weiten Tierwohlkennzeichen haben wir heute klar Ausdruck verliehen“, so die Ministerin. Sie setzt auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr, um das Thema weiter voranzubringen. Vielleicht kann sie bis dahin eine Deutsche Lösung vorzeigen, denn die ist noch längst nicht sicher. Knackpunkt ist vor allem die Absicht der Ministerin, auf Freiwilligkeit zu setzen.

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