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Lippenbekenntnisse – Kreuzfahrtindustrie und Klimaschutz

Kreuzfahrt Klimaschutz
Fast alle Reedereien bekennen sich zu den Pariser Klimazielen. Nur wenige haben eine Klimastrategie. © Angel Chavez / Pixabay

Kreuzfahrten haben in den vergangenen Jahren geboomt und konnten jährlich neue Zuwachsraten verbuchen. Doch die Corona-Pandemie hat die Branche vor große Herausforderungen gestellt. Dabei hat die schon mit dem Klimaschutz eine große Baustelle, wie eine aktuelle Analyse des NABU zeigt.

Das Jahr 2020 könnte für die Kreuzfahrtindustrie zur Zäsur werden. Seit Monaten liegen die Schiffe vor Anker und schaffen nur mühsam den Weg aus den Lockerungen. Die Corona-Pandemie hat auch diese Branche voll erwischt und wie eine Nach-Corona-Zeit aussieht, ist noch lange nicht ausgemacht. Trotz des jahrelangen Booms wurde die Kritik an dieser Form des Massentourismus immer lauter. Vor allem die klimaschädlichen Auswirkungen standen dabei im Mittelpunkt. Und das Thema ist mit Corona nicht nur nicht vom Tisch, sondern könnte den Unternehmen jetzt erst richtig auf die Füße fallen. Denn eines hat die Corona-Krise bewirkt: Das Bewusstsein für eine intakte Umwelt wurde gestärkt. Ob das allerdings immer noch trägt, wenn die Masken wieder fallen und die Wege in entlegensten Regionen wieder gefahrlos offen sind, lässt sich noch nicht abschätzen. Dennoch kommt die Branche nicht umhin, das Thema Klimaschutz in Zukunft ernsthaft zu verfolgen.

Wirtschaftliches Wachstum in der Kreuzfahrtindustrie ausgebremst

Rund 300 Kreuzfahrtschiffe sind auf den Weltmeeren unterwegs. Ein kleiner Teil im Vergleich zu den fast 50.000 Handelsschiffen. Rund 32 Millionen Passagiere sollten laut einer Schätzung des Branchenverbands CLIA in diesem Jahr auf große Kreuzfahrt gehen, etwas mehr als im vergangenen Jahr. Diese Zahlen haben sich erledigt, aber sie belegen den Boom der vergangenen Jahre. Mehrere Hundert Millionen Euro Umsatz können einzelne Schiffe in einem Jahr erwirtschaften. Die Kreuzfahrtindustrie ist ein Wirtschaftsfaktor, allerdings einer, von dem die Heimatländer nicht profitieren, denn die Schiffe fahren meist unter fremder Flagge. Und das nicht selten in Regionen mit empfindlichen Ökosystemen. Eigentlich sollte die Branche doch ein eigenes Interesse an Nachhaltigkeit und Klimaschutz haben.

„Klimaschutz in der Kreuzschifffahrt ist derzeit vor allem ein Lippenbekenntnis“

NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller

Doch davon sind die meisten Unternehmen der Kreuzfahrtbranche weit entfernt, so das Fazit des neuen Kreuzfahrtranking der Umweltorganisation Nabu. Während der Nabu in den vergangenen Jahren eher die einzelnen Schiffe im Blick hatte, wurden in diesem Jahr die Klimaschutzbemühungen der Reedereien unter die Lupe genommen. Die 18 größten Anbieter auf dem europäischen Markt wurden analysiert. Kaum ein Unternehmen konnte eine konkrete Strategie vorweisen, wie sie den konsequenten Umbau der Flotte in Richtung emissionsfreiem Betrieb umsetzen wollen. Dabei geben fast alle Reedereien an, sich zu den Pariser Klimazielen zu bekennen, eine Klimastrategie können allerdings nur vier Unternehmen vorweisen. „Klimaschutz in der Kreuzschifffahrt ist derzeit vor allem ein Lippenbekenntnis“, sagt NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

Der Branche läuft beim Klimaschutz die Zeit davon

Allenfalls einzelne Unternehmen wie Ponant und AIDA, haben mit der Entwicklung emissionsfreier Antriebe begonnen und teilweise sogar in Pilotprojekten zum Einsatz gebracht. Auch prominente Anbieter aus Deutschland wie TUI Cruises oder Hapag-Lloyd Cruises, stellen sich noch nicht im nötigen Maße der Herausforderung des Klimaschutzes, so das Fazit des Nabu. Allerdings würden sie zusammen mit MSC und dem norwegischen Anbieter Hurtigruten deutlich besser abschneiden als zahlreiche Mitbewerber. Noch mehr als an den Strategien würde es an der Umsetzung hapern. „Der Branche läuft die Zeit davon, wenn sie im Jahr 2050 vollständig emissionsfrei unterwegs sein möchte“, so Miller.

Kreuzfahrtranking 2020
Lippenbekenntnisse - Kreuzfahrtindustrie und Klimaschutz

Das sieht der Branchenverband Cruise Lines International Association (CLIA) ganz anders und hat zeitgleich einen Bericht von Oxford Economics veröffentlicht, der über Entwicklung und Einsatz von Umwelttechnologien in der Branche informiert. Der Verband betont, dass Kreuzfahrtreedereien eine führende Rolle bei der Einführung maritimer Technologien übernommen hätten, die der gesamten Schifffahrtsindustrie zugutekommen. Dazu wären bislang über 23,5 Milliarden US-Dollar in Schiffe mit neuen Technologien und saubereren Treibstoffen investiert worden, um beispielsweise die Emissionen zu reduzieren. Zudem würden Kreuzfahrtschiffe zunehmend mit Technologie ausgestattet, die die Versorgung mit Landstrom ermöglicht, sodass die Motoren in den Häfen abgeschaltet werden können.

Investitionen in Klimaschutz müssen Bestand haben

Mit Blick auf die durch das Corona-Virus bedingte Krise der Branche warnte der Nabu allerdings davor, bereits in Aussicht gestellte Investitionen in den Klimaschutz zurückzunehmen. „Die bislang erfolgsverwöhnte Branche sollte die Zwangspause nutzen, um sich ernsthaft mit der Frage zu beschäftigen, unter welchen Vorzeichen die Kreuzfahrt eine Zukunft haben kann“, so Daniel Rieger, NABU-Kreuzfahrtexperte. Das sei auch ein Thema für die Politik, die beispielsweise staatliche Hilfen mit Umwelt- und Klimaschutzauflagen verknüpfen sollte. Kelly Craighead, Präsident und CEO der CLIA hält die Sorge für unbegründet. „Die Kreuzfahrt bleibt einer saubereren, nachhaltigeren Zukunft verpflichtet, selbst, während wir daran gearbeitet haben, die Auswirkungen von COVID-19 anzugehen und zu überwinden.“

Vision einer emissionsfreien Kreuzschifffahrt

Mit dem Kreuzfahrtranking hat der NABU seine Vision für eine emissionsfreie Kreuzschifffahrt im Jahr 2050 vorgestellt. Ein dreistufiger Plan nennt konkrete Maßnahmen, um beispielsweise den Anforderungen des Pariser Klimaabkommens gerecht zu werden. Die Innovationsfähigkeit der Branche könnte zum Impuls- und Taktgeber für die gesamte Hochseeschifffahrt werden, zeigt sich der Nabu optimistisch, hat aber auch klare Vorstellungen davon, wie die Umsetzung aussehen muss. So müsste etwa in den kommenden drei Jahren der Abschied vom giftigen Schweröl, die Entwicklung einer individuellen Klimastrategie und die Nutzung von Landstrom umgesetzt werden.

Spätestens 2030 sollte das erste emissionsfreie Schiff vom Stapel laufen und ein Null-Emissionsstandard für sämtliche Neubauten obligatorisch sein. Dann wären noch zwanzig Jahre Zeit, damit die gesamte Flotte der Kreuzschifffahrt bis 2050 vollständig emissionsfrei unterwegs sein könnte. Deshalb begrüßte der Nabu die Entwicklungen auf europäischer Ebene. Dort zeichnet sich eine Regulierung ab, die Schifffahrt in den Emissionshandel einzubeziehen und die Steuerbefreiung mariner Kraftstoffe abzuschaffen. Das würde nach Einschätzung des NABU den Druck auf die Industrie erhöhen und den gewünschten Innovationsprozess in Gang setzen.



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