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Wie grün sind Unternehmen wirklich?

Grüne Fassade
Alles nur Fassade? Wie grün Unternehmen wirklich sind, haben Pforzheimer Studenten untersucht. © Nara Figueiredo / Pixabay

Ob CO2-Footprint, Verbrauchertipps zur ressourcenschonenden Verwendung von Produkten oder Umweltjahresbericht – die Bereitstellung von unternehmensbezogenen Umweltinformationen gewinnt in Zeiten von Klimaschutzinitiativen wie „Fridays for Future“ eine wachsende Bedeutung im Rahmen des Compliance Managements, also der Sicherstellung von rechtlicher und ethischer Regelkonformität, von Unternehmen. Vor diesem Hintergrund beteiligt sich die Hochschule Pforzheim seit Februar 2019 an einer internationalen Langzeitstudie in Kooperation mit der University of Southern Denmark, um Firmenwebsites bezüglich ihrer Aussagefähigkeit zu Umweltaktivitäten zu analysieren. Lag im vergangenen Semester der Fokus auf Websites in Europa, nehmen die Studierenden des Bachelor-Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen aktuell die USA unter die Umwelt-Lupe: Insgesamt 80 Pforzheimer Studierende der Fakultät für Technik untersuchen über den Zeitraum von drei Monaten 80 amerikanische Websites. Dabei verfolgen sie auch die Frage, ob zwischen unternehmerischem Umweltbewusstsein und politischer Ausrichtung des jeweiligen Bundesstaats Zusammenhänge bestehen könnten.

„Für mehr und mehr Unternehmen sind die von der UNO entwickelten Sustainable Development Goals in den letzten Jahren ein fester Bestandteil der Unternehmensstrategie bzw. des -leitbilds geworden. Deshalb bieten viele Großunternehmen bereits seit einiger Zeit Auszüge oder vollständige Versionen von Umweltberichten oder Nachhaltigkeitsberichten zum Download auf ihren Websites an“, so Professor Dr.-Ing. Heiko Thimm, Experte für Quantitative Methoden und Informationstechnik an der Fakultät für Technik. Gemeinsam mit dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Milan Tanik betreut er die Studierenden der Bachelor-Studiengänge „Wirtschaftsingenieurwesen“ und „Wirtschaftsingenieurwesen International“ im Rahmen ihrer Evaluationsaufgabe.

Hochschule Pforzheim
„Dank des hervorragenden Engagements der Studierenden haben wir nun eine ausgezeichnete Ausgangsbasis für die Weiterführung der Studie“, so Soziologe Professor Karsten Boye Rasmussen, Experte für Datenanalysen an der University of Southern Denmark. Erste Reihe von links nach rechts: Heiko Thimm, Karsten Boye Rasmussen und Milan Tanik. © Hochschule Pforzheim

Veröffentlichen große Unternehmen tatsächlich mehr über ihr betriebliches Compliance Management als kleinere Unternehmen? Werden auch Umweltverstöße, wie etwa Grenzwertüberschreitungen, preisgegeben? Informieren Unternehmen mit Umweltsiegeln umfassender als Unternehmen, die über keine Zertifikate verfügen? Jeder Studierende untersuchte je eine Website des produzierenden Gewerbes in den USA anhand eines selbst entwickelten Fragebogens. „Datenmanagement und Datenbankkenntnisse zählen zu den Herausforderungen, denen unsere Absolventen später auch im Job begegnen. Im Rahmen unseres Beitrags zur Studie konnten die Studierenden Theorie und Praxis hier ideal verbinden und anwenden“, so Heiko Thimm. Die Studierenden erfassten und verwalteten die Daten nicht nur, sie entwickelten darüber hinaus eine Datenbank zur Auswertung ihrer Erhebungen.



„Zwei unserer Studierenden hatten außerdem die spannende Idee, politische Gesamtgesinnung des Wahlkreises mit den Umweltaktivitäten der ansässigen Unternehmen abzugleichen“, so Heiko Thimm. Unter anderem fragten Dennis Schreiber und Manuel Rothfuß beim renommierten Political Economy Research Institute (PERI) der University of Massachusetts Amherst unternehmensbezogene Luftverschmutzungsdaten an. Positiver Nebeneffekt dieser Recherche: „Unsere Studie stieß beim PERI-Institut auf große Beachtung. Wir stehen nun in Kontakt mit der Institutsleitung, die insbesondere auf unsere Ergebnisse der vergleichenden Datenanalysen auf Regionenebene wartet“, so der Pforzheimer Professor. Das PERI-Institut veröffentlich jährlich eine Unternehmensliste mit den größten Luftverschmutzern der USA. Hierzu werden offizielle Daten des seit 1985 laufenden Toxic Release Inventory (TRI) Programs der amerikanischen Bundesbehörde Environmental Protection Agency (EPA) verwendet.

Nach dem Blick auf Europa und die USA wird die Studie sich noch auf den asiatischen Raum ausweiten. Bis Juni 2020 sollen insgesamt rund 320 Unternehmenswebsites großer Produktionsunternehmen dieser drei verschiedenen geografischen Regionen untersucht worden sein – um dann verglichen zu werden. „Wir erhoffen uns unter anderem aussagekräftige Ergebnisse im Hinblick auf das Phänomen ,Greenwashing‘ zu erhalten“, so Heiko Thimm. Hierunter versteht man den unternehmerischen Versuch, sich durch bestimmte Maßnahmen, wie den Erwerb von Ökosiegeln, ein von der Realität abweichendes grünes Image zu verleihen.

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