Magazin Gesellschaft

Smart Mix der Verantwortung

Lieferkettengesetz
Unternehmen die ihre menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Lieferkette ernstnehmen und erfüllen, sollen keinen Wettbewerbsnachteil erleiden. © csr-reporter mit Material von Alexander Kliem und slightly_different / Pixabay

Internationale Lieferketten ökologisch und sozial fair zu gestalten findet in der Wirtschaft breite Zustimmung. Diesen Anspruch in ein Gesetz zu gießen wird dagegen kontrovers diskutiert. Der RNE empfiehlt Deutschland in einer aktuellen Stellungnahme die Zügel in die Hand zu nehmen und sich ambitioniert für faire Lieferketten einzusetzen.

2021 soll ein europäischer Vorschlag kommen

Ende April dieses Jahres konnten die Befürworter und Initiatoren eines deutschen bzw. europäischen Lieferkettengesetzes kurz aufatmen. EU-Justizkommissar Didier Reynders sprach sich in einem Online-Seminar des Europäischen Parlaments für ein europäisches Lieferkettengesetz aus. Schon 2021 wolle er einen Entwurf für ein Gesetz zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht vorlegen. Damit will Reynders Unternehmen zur Achtung von Menschenrechten und Umweltstandards in ihren Wertschöpfungsketten verpflichten, Sanktionsmöglichkeiten einführen und den Betroffenen in den Erzeugerländern eine Klagemöglichkeit vor europäischen Gerichten einräumen. Das Gesetz solle Teil des Green New Deal der Europäischen Kommission sein.

Tatsächlich scheint es notwendig, zumindest teilweise, Unternehmensverantwortung in internationalen Wertschöpfungsketten über Gesetze zu regeln. Die ersten Zahlen aus dem Monitoring zum NAP (Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte) bestätigen dies. Mindestens 50 Prozent der betroffenen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern sollten freiwillig die Vorgaben des NAP mit geeigneten Maßnahmen erfüllen. Das Gegenteil war der Fall. Trotz aller Versuche die Ergebnisse im schöneren Licht erscheinen zu lassen, konnte nicht mal jedes fünfte Unternehmen als Erfüller angesehen werden. Damit wurde die Quote nicht näherungsweise erreicht.

Für Bundesentwicklungsminister Gerd Müller ist der Versuch einer freiwilligen Selbstverpflichtung deshalb auch gescheitert. Im kommenden Monat werden zwar die Ergebnisse der zweiten Auswertung vorgelegt, sie dürften kaum zu einer nennenswerten Verbesserung geführt haben. Bei einer Regierungsbefragung im Bundestag in dieser Woche äußerte Müller auch deutliche Bedenken hinsichtlich der zu erwartenden Ergebnisse. Müller glaubt nicht mehr an Freiwilligkeit und will jetzt zeitnah ein Gesetz zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht vorlegen.


Kernelemente des NAP:

1. Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte
2. Verfahren zur Ermittlung nachteiliger Auswirkungen auf die Menschenrechte
3. Maßnahmen zur Abwendung negativer Auswirkungen

4. Überprüfung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen
5. Berichterstattung
6. Beschwerdemechanismus


Unterstützung bekommt das Vorhaben für eine verbindliche Gesetzgebung jetzt auch direkt aus der Wirtschaft. So haben sich die Mitglieder der Investor Alliance for Human Rights vor wenigen Wochen in einer Stellungnahme für die Einführung von Lieferkettengesetzen ausgesprochen. Regierungen und Unternehmen seien in der Pflicht, einen Schutz vor Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten sicherzustellen. Wenn Unternehmen dem nicht freiwillig nachkommen, so müssten sie von ihren Regierungen dazu verpflichtet werden, äußerten sich die Finanz-Unternehmen, die zusammen ein Investitionsvolumen von rund 4 Billionen US-Dollar verwalten.


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EU-Ratspräsidentschaft nutzen

Der Rat für nachhaltige Entwicklung (RNE) greift in seiner aktuellen Stellungnahme die steigende Zustimmung auf und empfiehlt der Bundesregierung sich im Rahmen der bevorstehenden EU-Ratspräsidentschaft für eine europäische Lösung eines Lieferkettengesetzes einzusetzen. Schon im Vorfeld der im Juli beginnenden Ratspräsidentschaft sollten laut Werner Schnappauf, Vorsitzender des RNE, erste Eckpunkte formuliert werden. In ihrer Stellungnahme präferieren die RNE-Mitglieder einen sogenannten Smart Mix aus verbindlichen gesetzlichen Vorgaben, der Beschreibung von Mindeststandrads beispielsweise bei der Transparenz und der Stärkung freiwilliger Initiativen.

Auf keinen Fall dürften die freiwilligen Initiativen durch eine Gesetzgebung obsolet werden, so der RNE. Vielmehr könnte und müsste ein Gesetz die Vorhaben unterstützen und in ihrer Bedeutung betonen. So könnten Instrumente der Steuer- und Subventionspolitik verantwortliches unternehmerisches Handeln belohnen und fördern. Eine Möglichkeit wäre es, den Zugang zu Förderprogrammen an Nachhaltigkeitsanforderungen zu knüpfen. „Die Verknüpfung dieser Maßnahmen mit bestehenden Berichtspflichten würde einen wichtigen Beitrag zur kohärenten Ausgestaltung politischer Maßnahmen liefern“, heißt es in der Stellungnahme.

Deutscher Alleingang

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft bietet eine besondere Gelegenheit, um bei diesem Thema rasch auf europäischer Ebene voranzukommen, ist Cornelia Füllkrug-Weitzel, Ratsmitglied und Präsidentin von Brot für die Welt überzeigt. „Damit sich Nachhaltigkeit als Leitlinie der Wirtschaft durchsetzt, braucht es für alle Unternehmen gleichermaßen verbindliche Rahmenbedingungen und Mindestanforderungen, die Orientierung und ein level playing field für eine nachhaltige Unternehmenspraxis schaffen“. Auch der Einsatz neuer digitaler Technologien etwa zur Rückverfolgbarkeit in Lieferketten ist Bestandteil der Empfehlung. Auf jeden Fall sollte ein Lieferkettengesetz die Erwartungen der Gesellschaft aufgreifen.

Der Rat empfiehlt deshalb die deutsche Ratspräsidentschaft zu nutzen und das Vorhaben auf europäischer Ebene voranzutreiben. Mit den Eckpunkten für einen deutschen Vorschlag könnten dann Deutschland, Frankreich und andere Länder in denen bereits gesetzliche Maßnahmen greifen, eine gemeinsame europäische Lösung entwickelt.

Ist eine europäische Lösung zeitnah nicht möglich, sollte Deutschland nach Auffassung des RNE mit einem eigenen Lieferkettengesetz vorgehen. So sieht der RNE es als eine Aufgabe der Bundesregierung, die gegensätzlichen Positionen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft in einen konstruktiven Austausch zu bringen. „Ein Smart Mix muss durch einen Smart Discourse erarbeitet und getragen werden“, heißt es in der Stellungnahme.

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