Die Telekommunikationsbranche hat durch ihre Geschäftsmodelle unmittelbaren Einfluss auf die CO2-Bilanzen ihrer Kunden. Klimaschutz macht sich für die ITK-Unternehmen also doppelt bezahlt. Doch es gibt noch viel Potenzial.
CO2-Emissionen wie die zivile Luftfahrt
Die weltweit eingesetzten Informations- und Kommunikationstechnologien benötigen Unmengen Energie und produzieren entsprechende Mengen CO2. Die IKT sind für rund 3 Prozent der weltweiten klimaschädlichen Emissionen verantwortlich. Das sind rund 1,3 Gigatonnen pro Jahr, von denen die Hälfte durch Telekommunikation verursacht werden. Das entspricht dem CO2-Ausstoß der gesamten zivilen Luftfahrt. Und die fortschreitende Digitalisierung wird diesen Trend weiter verstärken. Grund genug für die Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) einmal die Nachhaltigkeitsbemühungen der Branche unter die Lupe zu nehmen. Die IKT-Unternehmen haben die Bedeutung von Nachhaltigkeit für ihr Geschäftsmodell erkannt, so ein Ergebnis, aber: „Es gibt jedoch noch viel Potenzial, um eigene Emissionen zu senken und Verbraucher sowie andere Unternehmen dabei zu unterstützen ebenfalls nachhaltiger zu werden“, so Roman Friedrich, Partner und Telekommunikationsexperte bei BCG.
Nachhaltigere Geschäftsmodelle haben mehrere positive Effekte
Laut BCG-Untersuchung würden sich zusätzliche Investitionen in Nachhaltigkeit für die Unternehmen doppelt auszahlen. Einerseits würden sie auf die Reputation einzahlen, andererseits würde sich die finanzielle Performance verbessern. Demnach könnten Unternehmen, die sich konsequent nachhaltig ausrichten, Margen erreichen, die um zwei bis vier Prozent über den Durchschnittswerten des Wettbewerbs liegen. Von erheblicher Bedeutung ist aber die Auswirkung auf die CO2-Bilanz ihrer Kunden. „Zum Beispiel können durch intelligente Verkehrsmanagementlösungen für die Smart City, wie Telematik oder Plattformen für Nahverkehrsanbieter, im Verkehr- und Transportsektor bis zu 30 Prozent an Emissionen eingespart werden“, schreiben die BCG-Autoren. Auch mit Aufklärung über Einsparpotenziale hätten die Telekommunikationsunternehmen einen wirksamen Hebel in der Hand. „Durch die Allgegenwart von digitalen Produkten und Diensten kann sich die Branche zu einem wichtigen Multiplikator für Nachhaltigkeit entwickeln und neue Märkte mit über 100 Milliarden Euro Wertschöpfungspotenzial eröffnen“, so Roman Friedrich.
Mangelnde Kreislaufwirtschaft trübt Umweltbilanz der Branche
„In der Öffentlichkeit wird die Telekommunikationsbranche bislang kaum als CO2-Verursacher wahrgenommen. In der Kritik stehen vor allem Energieversorger, der Luft- und Autoverkehr oder die Chemieindustrie“, erklärt Roman Friedrich. Ein Beispiel verdeutliche die wahren Dimensionen: „Allein durch den Konsum von Internetvideos entstehen pro Person und Jahr Emissionen von über 100 Kilogramm CO2-Äquivalenten.“ Einen erheblichen Beitrag zur schlechten Ökobilanz leisten kurzlebige Smartphones, die vor allem in der Herstellung umweltbelastend sind. Hier besteht laut Friedrich ein großes Potenzial für die Branche. Ihre Recyclingquote liegt bislang lediglich bei 20 Prozent, obwohl ein Wertschöpfungspotenzial von rund 35 Milliarden Euro durch Aufbereitung alter Mobiltelefone auf dem Zweitmarkt vorliegt. „Allein in Deutschland liegen nach Angaben des Branchenverbands Bitkom 124 Millionen Smartphones ungenutzt in den Schubladen. Durch die Aufbereitung eines einzelnen Geräts können bis zu 55 Kilogramm CO2 gespart werden. Bei konsequenter Wiederverwendung gäbe es einen starken Hebel, um ohne große Umstellungen nachhaltiger zu werden“, so Friedrich.
Konsequente Ausrichtung auf 5G spart Energie
Weitere Vorteile verspricht der Einsatz von innovativen, energieeffizienteren Technologien, wie dem 5G-Standard. 5G-Netze sind nicht nur leistungsstärker, sondern verbrauchen pro Gigabyte auch weniger Strom als die heutigen Standards, wenn diese noch bei den steigenden Datenvolumina eingesetzt werden würden. 2025 fällt der Verbrauch gegenüber weiterer Nutzung von 4G um 69 Prozent je Megabit pro Sekunde geringer aus. „Viele Unternehmen der Branche haben den Handlungsbedarf erkannt, es fehlt aber noch an strategischen Maßnahmen“, sagt Friedrich. So gibt es zwar Absichtserklärungen, bis 2050 CO2-neutral zu werden. Aber nur in wenigen Telekommunikationskonzernen ist der Faktor Nachhaltigkeit beispielsweise in variable Vergütungssysteme integriert. Auch die Vorgabe, nachhaltige Lieferanten zu priorisieren, sind in der Regel unverbindlich. „Die gesamte Branche hat jetzt die Chance, Nachhaltigkeit und wirtschaftlichen Erfolg zu verzahnen, wenn sie die richtigen Schritte in Richtung CO2-Neutralität konsequent weitergeht“, ergänzt Friedrich.
Zentrale Ergebnisse der Analyse
Auswirkungen auf andere Branchen
ITK-Unternehmen haben den Hebel um in anderen Sektoren wie Verkehr oder Transport deren CO2-Ausstoß bis zu 30 Prozent zu senken. Die Aufklärung von Privat- und Geschäftskunden ihre digitalen Dienste energieeffizienter einzusetzen, wäre ein weiterer wirksamer Hebel.
Positive Effekte auf die finanzielle Performance und die Reputation
Eine nachhaltigere und klimaschonendere Ausrichtung des Geschäftsmodells hätte positive Effekte auf die finanzielle Performance und die Reputation der Unternehmen. So könnte eine konsequente Ausrichtung an Nachhaltigkeit die Margen um zwei bis vier Prozent gegenüber den Durchschnittswerten des Wettbewerbs verbessern. Nebeneffekt wäre zudem eine verbesserte Arbeitgeberattraktivität.
ITK-Branche verursacht hohe CO2-Emissionen
Die Telekommunikationsbranche verursacht fast so hohe CO2-Emissionen wie zivile Luftfahrt. Dabei wird die Branche bislang kaum als relevanter CO2-Verursacher wahrgenommen. Mit einem Ausstoß von 0,6 Gigatonnen pro Jahr ist sie jedoch für mehr als 1,5 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich.
Kurzlebige Geräte leisten erheblichen Beitrag zur schlechten Ökobilanz
Beispielsweise ist die Herstellung von Smartphones durch einen hohen Ressourcen- und Energieaufwand sehr umweltbelastend. Zudem ist häufig Kohle der wichtigste Energieträger. Die Recyclingquote liegt bei nur 20 Prozent. Das Wertschöpfungspotenzial durch die Aufbereitung alter Geräte liegt jedoch bei rund 35 Milliarden Euro. Bis zu 55 Kilogramm CO2 könnten pro aufbereitetem Gerät eingespart werden.
5G-Netzte liefern hohes Einsparpotenzial
Die modernen 5G-Netze liefern nicht nur höhere Leistung, sondern auch eine verbesserte Energieeffizienz im Vergleich zu weiterer 4G-Nutzung. Der globale Datenverbrauch steigt bis 2025 voraussichtlich um fast zwei Drittel. Der Energieverbrauch je Megabit pro Sekunde sinkt bei Einsatz von 5G im Vergleich zu weiterer 4G-Nutzung um fast 70 Prozent. Dasselbe gilt für Glasfasernetze; bis zu 60 Prozent geringerer Energieverbrauch als bei kupferbasierten Netzen.