Seit inzwischen mehr als einem Jahr macht die FridaysForFuture-Bewegung auf die drohenden Auswirkungen durch den Klimawandel aufmerksam. In dieser Zeit hat die Debatte um eine klimaschonende Wirtschaft und Gesellschaft an Fahrt aufgenommen. Und die Bewegung hat auch einige prominente Gesichter, nicht nur Initiatorin Greta Thunberg. Doch wer sind eigentlich die vielen Streikenden auf den Straßen, was sind ihre Motive und was ihr Hintergrund?
Bereits im März 2019 hat ein internationales Forschungsteam versucht Licht ins Dunkel zu bringen und eine internationale Befragung unter den Streikenden durchgeführt. Daran mitgewirkt hat Dr. Piotr Kocyba, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur Kultur- und Länderstudien Ostmitteleuropas der Technischen Universität Chemnitz. Die Ergebnisse wurden im Mai 2019 in einer vielbeachteten Studie veröffentlicht und haben einen ersten Eindruck vermittelt.
Eine zweite Befragungswelle startete das internationale Team im September 2019. Die Wissenschaftler verteilten während des dritten globalen Klimastreiks weit mehr als 10.000 Fragebögen – über 3.000 Personen in insgesamt 19 Städten von Melbourne bis New York folgten der Einladung der Sozialforscher und füllten den Fragebogen online aus. Die Ergebnisse der Studie ermöglichen es nun, einen direkten Vergleich zwischen den beiden globalen Streiks im März und September 2019 zu ziehen.
Frauen weiterhin in der Mehrheit
In der neuen Studie zeigen die Forscher, dass Frauen im internationalen Vergleich weiterhin die Mehrheit bei den Teilnehmenden stellen. In beiden Erhebungswellen lag der Frauenanteil bei knapp 60 Prozent. In der Altersgruppe bis 19 Jahre hat ihr Anteil sogar von 63 auf 71 Prozent zugenommen.
Allerdings sind die Tendenzen in den einzelnen Ländern teilweise gegenläufig. So waren die FFF-Proteste in Deutschland, entgegen dem internationalen Trend, im September 2019 nicht mehr von Frauen dominiert gewesen. Hier konnte ein Anstieg des Männeranteils von 40 Prozent im März auf 51 Prozent im September beobachtet werden. Bestätigt hat sich der bereits angedeutet Bildungshintergrund. Über 70 Prozent der Befragten hatten einen Hochschulabschluss. Der einstige Schülerstreik umfasst also längst weitere Kreise der Gesellschaft.
Zunehmend ältere Teilnehmer
Das bestätigt sich auch mit Blick auf das Alter der Streikenden. War die Hälfte der Protestierenden im März jünger als 21 Jahre, so lag der Wert im September bereits bei 28 Jahren. Das Durchschnittsalter stieg gegenüber der Vorgängeruntersuchung von 30 auf knapp 33 Jahre. In Deutschland konnte das Team eine noch deutlichere Verschiebung im Altersdurchschnitt beobachten – dieser stieg von knapp 26 Jahren im März auf über 34 Jahren im September. Der Aufruf der FFF-Bewegung an die Erwachsenen, sich dem Klimastreik anzuschließen, scheint in Deutschland besonders wirksam gewesen zu sein, folgern die Forscher.
Geringerer Einfluss des „Greta-Effekts“
Dafür, dass die Bewegung inzwischen fest etabliert ist, spricht der Umstand, dass Greta Thunberg zwar auch im September 2019 weiterhin das Interesse an den Klimastreiks sowie die Teilnahmebereitschaft wesentlich prägte, dieser Einfluss jedoch geringer ausfällt als noch in der ersten Befragungswelle vom März 2019. Damals hatten knapp über 40 Prozent der teilnehmenden Personen angegeben, dass Greta Thunberg ihre Teilnahme am Klimastreik beeinflusst. Im September lag dieser Wert nur noch bei einem Drittel. Diese Tendenz fiel in Deutschland sogar noch deutlicher aus. Gaben im März noch 39 Prozent der Befragten an, Greta Thunberg habe ihre Teilnahme an dem Protest beeinflusst, traf das im September nur noch auf 25 Prozent zu.
Frust und Wut überwiegen
Für die Mobilisierungskraft einer Bewegung spielt vor allem die emotionale Ebene eine wesentliche Rolle. Die neue Untersuchung zeigt ein Übergewicht von emotionalen Einstellungen wie Frust, Wut und Machtlosigkeit – Emotionen also, die eine Teilnahme an den Protesten befördern. Diese Emotionen überwogen bereits in der Vorgängerstudie und sind daher nach wie vor wesentliche Triebfedern für den Erfolg der FFF-Bewegung – das gilt auch für Deutschland.
Das Gefühl der Hoffnungslosigkeit, das zur Demobilisierung führen kann, spielte zwar weiterhin eine untergeordnete Rolle, allerdings war ein Anstieg zu beobachten. So gaben im März 2019 über 26 Prozent der Befragten an, ziemlich beziehungsweise sehr hoffnungslos zu sein, im folgenden September waren es schon knapp 35 Prozent.