Es ist ein Novum in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Unternehmen selbst fordern einen gesetzlichen Rahmen, der sie zu mehr Sorgfalt verpflichtet. Die beiden Regierungsparteien CDU und SPD haben auf ihren Parteitagen bereits entsprechende Beschlüsse verfasst. Auch die Kirchen fordern einen entsprechenden gesetzlichen Rahmen. Jetzt haben 42 deutsche Unternehmen eine Erklärung verfasst, in der sie sich für die Einführung eines solchen Lieferkettengesetzes ausgesprochen. In einem Lieferkettengesetz würde Unternehmen dazu verpflichten, sich in ihren globalen Lieferketten an umwelt- und menschenrechtliche Standards zu halten.
Rechtssicherheit und gleiche Wettbewerbsbedingungen
Die Spannbreite an teilnehmenden Firmen ist groß, sie reicht von Konzernen wie Hapag-Lloyd und Nestlé Deutschland über Familienunternehmen wie Ritter Sport, Tchibo und Vaude bis hin zu Start-ups und Handelsgenossenschaften. Die Erfahrung zeige, „dass freiwillige Selbstverpflichtungen allein nicht ausreichen“, heißt es in der Erklärung, die vom Business & Human Rights Resource Centre koordiniert wurde. Eine gesetzliche Regelung würde zu Rechtssicherheit und gleichen Wettbewerbsbedingungen („level playing field“) beitragen. „Wie begrüßen es, wenn mit einem Sorgfaltspflichten-Gesetz in Deutschland der Weg für eine anspruchsvolle europäische Regelung geebnet wird“, heißt es in dem Aufruf.
Bis 2020 sollen mindestens 50% der deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern sicherstellen, dass sie in ihrer Lieferkette keine Menschenrechte verletzten und entsprechende Schutzstandards sicherstellen. Würde diese Vorgaben nicht erreicht, so will die derzeitige Regierungskoalition auf nationaler Ebene gesetzgeberische tätig werden und zudem auf eine EU-weite Regelung drängen. Eine Studie vom Business & Human Rights Resource Centre (BHRRC ) ergab allerdings, dass 18 von 20 der größten deutschen Unternehmen ihren Umgang mit Menschenrechtsrisiken nicht transparent offengelegt haben.
EU-weite Forderungen von Unternehmen und Verbänden
„Gesetzlich verankerte menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten würden wesentlich dazu beitragen, negative Auswirkungen deutscher Unternehmen auf Arbeiter und Gemeinschaften weltweit zu verringern“, so Johannes Blankenbach, Researcher beim BHRRC. „Sie helfen auch, das Niveau für verantwortungsvolles Unternehmenshandeln allgemein anzuheben und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.“
Inzwischen haben sich auch Unternehmen, Wirtschaftsverbände und Investoren in ganz Europa für nationale und regionale Gesetze zu diesem Thema ausgesprochen. Mehr als 100 zivilgesellschaftliche Organisationen und Gewerkschaften haben kürzlich die EU aufgefordert, wirksame gesetzliche Regelungen zu menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten zu entwickeln, und in Deutschland setzt sich eine breite zivilgesellschaftliche Koalition für ein Lieferkettengesetz ein. Die Gesetzgebung in Deutschland könnte auf ähnlichen Gesetzen aufbauen, die in Frankreich, Finnland, den Niederlanden, Norwegen, Italien und der Schweiz bereits verabschiedet wurden oder derzeit diskutiert werden.