2019 war ein erfolgreiches Jahr für Produkte mit dem Fairtrade-Siegel. Erstmals wurden Waren im Wert von über 2 Milliarden Euro umgesetzt. Der Nische kann man damit nicht entkommen. 25 Euro pro Kopf lassen sich die Deutschen ihr gutes Gewissen kosten.
26 Prozent mehr Umsatz
Das ist zunächst mal nicht besonders viel im Verhältnis zum Gesamtumsatz im Lebensmitteleinzelhandel (LEH), der laut statista im gleichen Zeitraum bei über 125 Milliarden Euro lag. Da erscheinen die 2,05 Milliarden Fairtrade-Umsatz sehr bescheiden, werden aber auch mit einem deutlich kleineren Produktangebot erzielt. Beim Vergleich der Wachstumszahlen liegt Fairtrade allerdings deutlich vorne. Um 26 Prozent haben die Umsätze gegenüber dem Vorjahr zugelegt – etwa 3 Prozent sind es im gesamten Lebensmitteleinzelhandel. Fairtrade-Produkte genießen immer mehr Akzeptanz und stoßen auf ein zunehmendes Interesse. Die positive Entwicklung lässt sich aber auch auf konkrete Entwicklungen und Maßnahmen zurückführen.
Bananen: +41 Prozent
Beispielsweise auf die Banane. 130.000 Tonnen der gelben Frucht gingen im vergangenen Jahr über die Ladentheken – ein Plus von 41 Prozent. Damit führt die Banane das Fairtrade-Mengenranking deutlich an. Es ist nicht so, dass die Deutschen auf einmal die Banane entdeckt haben, insgesamt stagnieren die Nettoimporte bei rund 1 Millionen Tonnen pro Jahr. Vielmehr bieten auch die Discounter inzwischen Fairtrade-Bananen an. Im Jahr 2019 hat Lidl die Bananen mit Fairtrade-Siegel aber ohne Bio-Siegel ins Programm aufgenommen und der Südfrucht damit zum Spitzenplatz verholfen.
Auch die beiden traditionell starken Fairtrade-Bereiche Kaffee und Kakao trugen deutlich zum verbesserten Jahresergebnis bei. Mit 23.000 Tonnen lag der fair gehandeltem Röstkaffee rund 12 Prozent über dem Vorjahr. Der Anstieg von 45 Prozent bei Kakao bezieht sich vor allem auf den Rohstoff Kakaobohnen. Mehr als 75.000 Tonnen wurden von der weiterverarbeitenden Industrie gekauft und verschaffen der Fairtrade-Bohne damit einen Marktanteil von knapp 17 Prozent.
Baumwolle profitiert vom Verbot der Plastiktüten
Zuwächse auch in anderen prominenten Fairtrade-Bereichen. So wurden eine halbe Milliarde faire Rosen verkauft (plus 19 Prozent) und sorgten für einen beachtlichen Marktanteil von 30 Prozent. Honig mit Fairtrade-Siegel konnte um 12 Prozent auf 1.500 Tonnen zulegen und Reis um 40 Prozent auf 1.170 Tonnen. Reis profitierte von der Einlistung bei der Drogeriekette dm. Mit 359 Tonnen wurden geringere Mengen wurden Tee verkauft, ein Minus von 6 Prozent. Fairtrade-Baumwolle konnte um 59 Prozent zulegen und erreichte 22,2 Millionen Textilprodukte mit Fairtrade-Siegel. Ein Großteil davon sind Baumwolltaschen, deren Verbreitung durch das Plastiktütenverbot begünstigt wurde.
Preisdruck setzt den Erzeugern zu
Aktuell überschattet die Corona-Pandemie die entscheidende Frage, was Fairtrade den Menschen in den Erzeugerländern bringt. Aber auch unabhängig davon haben die Erzeuger mit Problemen zu kämpfen. So haben die Bananen-Produzenten mit zu niedrigen Endverbraucherpreisen zu kämpfen, die es ihnen kaum ermöglichen, eine nachhaltige Produktion zu gewährleisten und angemessene Löhne zu bezahlen. Erschwerend kommt seit dem Sommer 2019 eine Pilzkrankheit in den Plantagen dazu. Der Pilz Tropical Race 4 (TR4) bedroht inzwischen nahezu die gesamte Bananenindustrie Lateinamerikas und hat den Preisdruck auf die Lieferkette nochmal erhöht.
Unter hohem Preisdruck der Rohstoffmärkte haben auch andere Bereiche wie beispielsweise Kaffee und Kakao zu kämpfen. Mit den Garantien aus den Fairtrade-Siegeln können sich die Erzeuger teilweise gegen diese Risiken absichern. Insgesamt 38 Millionen Euro wurden zudem an Prämien überwiesen, mit den die lokalen Gemeinschaften ihre Lebensumstände verbessern können, indem sie beispielsweise in Bildungsangebote investieren.
„Gerade jetzt ist die Prämie wichtig, weil sie oft die einzige Rücklage ist, die Produzenten haben. Wir sehen vorbildliche Maßnahmen wie Aufklärungskampagnen und die Anschaffung von Hygienemitteln, aber auch, dass damit Einkommenseinbußen kompensiert werden“
Mary Kinyua, Vorsitzende des Produzenten-netzwerks Fairtrade Africa
Corona-Pandemie verschärft den Druck
Der Druck auf die Erzeuger steigt aber durch die Pandemie deutlich an. Am Anfang der Lieferketten machen sich die internationalen Einschränkungen besonders deutlich bemerkbar. „Gerade jetzt ist die Prämie wichtig, weil sie oft die einzige Rücklage ist, die Produzenten haben“, sagt Mary Kinyua, Vorsitzende des Produzentennetzwerks Fairtrade Africa. „Neben der Angst um die Gesundheit sind die wirtschaftlichen Folgen dramatisch: Auf Blumenfarmen wurden im März tausende Beschäftigte entlassen. Bei Rohstoffen, für die die Ernte noch aussteht, fehlen Erntehelfer. Wo die Ernte eingeholt ist, ist die Logistik unsere Sorge. Mobilitätseinschränkungen machen den Transport zum Hafen schwieriger und teurer. Wir hoffen, dass die Häfen offenbleiben.“
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Noch ist nicht abzusehen wie die Corona-Pandemie dem fairen Handel insgesamt schaden wird. Momentan werden Lieferketten neu organisiert, werden Abnahmevereinbarungen reduziert und auch die Weltläden können den Umsatzausfall nicht kompensieren, sind häufig selbst von Insolvenz bedroht.