[aktualisiert] Möglicherweise kommen die entscheidenden Impulse wieder aus Brüssel. Wenn es um Unternehmensverantwortung geht, benötigt die Bundesregierung offensichtlich Druck von außen. So könnten die Unternehmen in Europa zukünftig dazu verpflichtet werden, ihrer Lieferkette stärker zu überwachen, um mögliche Verstöße gegen Menschenrechte oder Umweltstandards zu vermeiden.
Der nun von der Europäischen Kommission vorgelegt Report „Study on due diligence requirements through the supply chain“ zeigt den aktuellen Stand und will mögliche Handlungsoptionen aufzeigen. Demnach würde bislang nur jedes dritte Unternehmen in der EU ihre globale Lieferkette mit Blick auf Menschenrechts- und Umweltverstöße überprüfen.
Unternehmen mehrheitlich für verbindliche Regelungen
Die Vorreiter einer fairen Lieferkette scheinen den Bedarf ebenfalls zu sehen. „Unternehmen haben uns gesagt, dass sie glauben, dass EU-Vorschriften hier für Rechtssicherheit und einen harmonisierten Standard für die Pflicht der Unternehmen sorgen würden“, so EU-Justizkommissar Didier Reynders. Er will die Ergebnisse der Studie in die weitere Arbeit einfließen lassen.
Insgesamt 334 Unternehmen und 297 Verbände und Organisationen wurden für den 570 Seiten umfassenden Report befragt. 70 Prozent der Befragten haben sich für verbindlichere Regelungen und Klarheit ausgesprochen, selbst multinationale Konzerne.
Damit deutet sich an, dass ein entsprechender Rechtsrahmen, wie auch immer dieser genau aussehen kann, von der aktuellen Europäischen Kommission geplant wird. Schließlich wurde schon bei Einführung der Berichtspflicht über nichtfinanzielle Aspekte, die sogenannte CSR-Richtlinie, die Notwendigkeit betont, für Transparenz und Fairness in den internationalen Lieferketten zu sorgen.
Und auch aus dem Europäischen Parlament wird die Kommission schon länger aufgefordert, eine Regelung für die Sorgfaltspflicht in den Lieferketten zu erarbeiten. Im Rahmen der Studie gab rund ein Drittel der befragten Unternehmen an, bereits Due Diligence im Hinblick auf Kinderarbeit und Umweltverschmutzung durchzuführen.
Die Europaabgeordnete Anna Cavazzini, Mitgliede im Ausschuss für internationalen Handel betonte, dass freiwillige Maßnahmen nicht ausreichen würden. „Für Menschenrechte entlang der Lieferkette brauchen wir verbindliche Regeln auf EU-Ebene“, so Cavazzini.
„Die EU-Kommission sollte die Ergebnisse dieser Studie ernst nehmen und nun zügig einen konkreten Entwurf vorlegen“, so Cornelia Heydenreich, Leiterin des Teams Unternehmensverantwortung bei der Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisation Germanwatch. „Aber auch die Bundesregierung steht nun besonders in der Verantwortung: Als größte Volkswirtschaft der EU und EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 muss Deutschland nun vorangehen und mit einem Lieferkettengesetz ambitionierte Maßstäbe setzen.“
Bundesregierung ist nun gefordert
Das Bundeswirtschaftsministerium dürfe die Debatte über ein Lieferkettengesetz nun nicht länger verschleppen, indem es das Monitoring immer weiter hinauszögert und verwässert, kritisiert Heydenreich. Die Bundesregierung hatte die Entscheidung über ein Lieferkettengesetz von den Ergebnissen eines Monitorings abhängig gemacht, ob die Unternehmen ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen freiwillig nachkommen. Nach der ersten Untersuchung im vergangenen Jahr sollte Anfang dieses Jahres die zweite und entscheidende Untersuchung folgen. Das Bundeswirtschaftsministerium zögert diese aber seit Wochen immer wieder hinaus.
Die Studie wurde im Dezember 2018 als Teil des Aktionsplans der Kommission für ein nachhaltiges Finanzwesen lanciert. Sie untersucht Optionen für die Regulierung der Sorgfaltspflicht in den eigenen Betrieben und in den Lieferketten von Unternehmen im Hinblick auf negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt, auch in Bezug auf den Klimawandel.
Zudem sollen die Ziele des europäischen Grünen Deals mit dem Ansatz betont werden. Demnach sollte Nachhaltigkeit stärker in die Corporate-Governance-Regeln in der EU eingebettet werden, da sich viele Unternehmen im Vergleich zu ihren langfristigen Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsaspekten zu sehr auf die kurzfristige finanzielle Performance fokussieren.