Sommerzeit ist Eiszeit. Rund 8,3 Liter hat durchschnittlich jeder Deutsche im vergangenen Jahr konsumiert, das meiste davon industriell hergestelltes Markeneis. Wie steht es beim Eis um die Nachhaltigkeit? Die Naturschutzorganisation WWF kommt in ihrem neuen Report „Speiseeis 2020“ zu einem ernüchternden Ergebnis.
Ist Kokosöl das neue Palmöl? Nach Einschätzung des WWF sind die Probleme beim Anbau von Kokospalmen sogar noch gravierender als bei Ölpalmen. Der Grund ist die geringere Ausbeute. Im Jahr 2018 wurden weltweit auf 12,4 Millionen Hektar Kokospalmen angebaut, Ölpalmen dagegen auf rund 23,5 Millionen Hektar. Allerdings wurde mit den Ölpalmen etwa 36 Prozent des weltweiten Bedarfs an Pflanzenfetten gedeckt, mit dem Öl aus Kokospalmen dagegen nur etwa 1,2 Prozent. Viel Platz für wenig Ertrag scheint also das Problem zu sein. Der Ertrag der Ölpalme liegt durchschnittlich bei etwa 3,8 t Öl pro Hektar, der von Kokosöl bei 0,7 t Öl pro Hektar Anbaufläche.
Ungebremste Nachfrage nach pflanzlichen Fetten
Würde sich der Trend ausweiten und immer mehr Kokosöl für die industrielle Lebensmittelproduktion benötigt, hätte das durch den erhöhten Flächenverbrauch nach Einschätzung des WWF negative Effekte auf die Umwelt. Tatsächlich entwickelt sich der weltweite Bedarf nach Pflanzenölen rasant. So legte die weltweite Produktion beispielsweise im Geschäftsjahr 2017 um rund 17 Millionen Tonnen zu, eine Steigerung um 7,7 Prozent. Mit 12 Millionen Tonnen entfiel der größte Anteil auf Palmöl. Das spiegelt auch die Entwicklung über einen längeren Zeitraum wider. Seit 1990 hat sich die Anbaufläche für Palmöl fast vervierfacht, während Kokospalmen 1990 auf knapp 10 Millionen Hektar angebaut wurden, im Vergleich zu den heutigen 12,4 Millionen Hektar. Darauf macht auch der Bundesverband der deutschen Süßwarenindustrie in seiner Stellungnahme auf die WWF-Studie aufmerksam: „Der Verbrauch von Kokosfett ist seit Jahren stabil während der Verbrauch von Palmöl ständig zunimmt.
Welche Eismarke gehört zu welchem Unternehmen
Eismarken | Unternehmen |
Landliebe | Friesland Campina |
Schöller, Mövenpick, Nuii | Froneri |
Magnum, Langnese, Ben & Jerry’s | Unilever |
Diverse Handels- und Lizenzmarken | Eisbär Eis und DMK |
Dennoch würden laut WWF Kokosölplantagen in einem höheren Maße als Palmöl die Artenvielfalt bedrohen. Aber die Naturschützer bemängeln auch die sozialen Aspekte beim Anbau von Kokospalmen, zumal die Produktion in den gleichen Ländern stattfindet wie beim Palmöl, vor allem in Indonesien, Indien und auf den Philippinen. Unter sozialen Gesichtspunkten ist der Kokosanbau mit vielen Problemen behaftet. An Kokosöl werden derzeit kaum Produktions-Anforderungen hinsichtlich sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit gestellt, heißt es in der Studie. Es gibt praktisch kaum zertifiziertes Kokosfett entgegnet der BDSI und widerspricht damit auch dem WWF, der eine Verlagerung von Palmöl zum Kokosfett bemängelt, mit dem Ziel die Nachhaltigkeitszertifizierungen beim Palmöl zu umgehen.
Wofür wird das Kokosfett in der Speiseeisproduktion benötigt?
Laut der WWF-Analyse setzen alle befragten Eishersteller, bis auf das Unternehmen Friesland Campina, Kokosfett als Bestandteil ein. Langnese und Magnum-Produkte werden sogar ausschließlich mit Kokos als Pflanzenöl-Bestandteil hergestellt. Tatsächlich besteht laut BDSI das in der industriellen Eisproduktion verwendete Fett schon seit vielen Jahren zu 99 Prozent aus Kokosfett. „Neben Milch und Zucker ist Fett ein wichtiger Rohstoff für die Herstellung von Speiseeis. Milch- oder Pflanzenfette verleihen dem Speiseeis seinen cremigen Geschmack und tragen wesentlich zur Stabilität des Speiseeises bei“, so der Verband. Das bedeutet beispielsweise, das Eis langsamer schmilzt und nicht hart gefroren aus der heimischen Tiefkühltruhe kommt. Um diese Eigenschaft zu erreichen, muss Kokosfett nicht zusätzlich gehärtet werden. Zudem sei der neutrale Geschmack ein wesentlicher Grund für den Einsatz von Kokosfett. Ein Blick auf die Verpackung klärt Verbraucher auf. Eissorten die anstelle mit Milchfetten mit pflanzlichen Fetten hergestellt wurden, dürfen nur als Eis und nicht als Eiscreme bezeichnet werden.
Dennoch würde laut BDSI Kokosfett nur zu einem geringen Anteil genutzt, die Hauptzutaten seien mit einem Anteil von 60 bis 80 Prozent Milch- und Milchprodukte. Im vergangenen Jahr 2019 hat die deutsche Speiseeisindustrie rund 22.000 Tonnen Kokosfett verarbeitet. Bezogen auf den Gesamtverbrauch von rund 190.000 Tonnen Kokosfett in Deutschland entspricht dies einem Anteil von 11,5 Prozent.
Nachhaltige Rohstoffbeschaffung – Fehlanzeige
Für ihren aktuellen Report hat der WWF insgesamt 17 Unternehmen unter die Lupe genommen (Aldi Nord, Aldi Süd, DMK Eis, Edeka, Eisbär Eis, Friesland Campina, FRONERI Schoeller, Kaufland, Lidl, Metro, REWE, Unilever, Giovanni L., Bruno Gelato, Gelato Classico Die Eismanufaktur, Janny’s Eis Franchise, Real). Bereits 2018 hatten die Umweltschützer einen ersten Speiseeisreport vorgelegt und damit begonnen, sich das Einkaufsverhalten der Hersteller zum Thema Eis und Nachhaltigkeit genauer anzuschauen. Konkret ging es um die Frage, wie und in welchem Umfang ökologische und soziale Nachhaltigkeit bei der Beschaffung von pflanzlichen Fetten eine Rolle spielt. Nach ernüchternden Ergebnissen hat der WWF nach eigenen Angaben die vergangenen zwei Jahre genutzt, um auf die ökologischen und sozialen Risiken beim Anbau von Kokospalmen aufmerksam zu machen. Das Follow-up sollte nun die Frage klären, was hat sich beim Thema Nachhaltigkeit im Eissektor getan.
„Die Einkaufspolitik deutscher Speiseeis-Produzenten lässt den Regenwald schneller verschwinden als Eis in der prallen Sonne“
Ilka Petersen, Referentin Landnutzung und nachhaltige Biomasse beim WWF Deutschland
12 der 17 untersuchten Unternehmen haben auf die Fragen des WWF reagiert. Das Fazit der Naturschützer: Selbst minimale Anforderungen an ökologische und soziale Nachhaltigkeit sind für die meisten deutschen Speiseeis-Produzenten weiterhin kein Thema. „Die Einkaufspolitik deutscher Speiseeis-Produzenten lässt den Regenwald schneller verschwinden als Eis in der prallen Sonne“, so Ilka Petersen, Referentin Landnutzung und nachhaltige Biomasse beim WWF Deutschland. Kokosfett aus den Tropen werde ohne Zertifizierung gekauft, während Raps und Sonnenblume als augenscheinlich „heimische Alternative“ allerdings auch aus Übersee, wie Australien oder Lateinamerika, importiert sind. „Es scheint den deutschen Eisproduzenten schlichtweg egal zu sein, wie und wo ihr Kokosfett hergestellt wurde“, so Petersen. Kein einziges Unternehmen achtete bei Kokosfett auf ökologische und soziale Anforderungen bei dessen Produktion. Problematisch sei zudem, dass auch Raps- oder Sonnenblumenöle als mögliche Alternativen aus Übersee wie Australien, China, Lateinamerika oder Kanada importiert werden.
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Nachhaltigkeitsherausforderungen beim Anbau von Kokospalmen
Kokospalmen benötigen ebenso wie die Ölpalmen das feuchtwarme Klima der Tropen. Entsprechend liegen die wichtigsten Anbaugebiete in Ländern die zu großen Teilen von Regenwald bedeckt sind. Die Probleme ähneln also denen bei der Ölpalme. Allerdings hat beim Palmöl inzwischen ein Umdenken eingesetzt, die befragten Unternehmen setzen überwiegend zertifiziertes Palmöl ein und haben den Bezug meist auch mit konkreten Nachhaltigkeitszielen unterlegt. Für die Herstellung von Speiseeis spielt Palmöl laut BDSI allerdings eine untergeordnete Rolle. Nur rund 1.000 Tonnen pro Jahr werden branchenweit benötigt, meist nur für den Schokoladenüberzug oder die Herstellung von Waffeln.
Ein großer Teil der Kokospalmplantagen wird in kleinbäuerlichen Strukturen mit weniger als vier Hektar Anbaufläche betrieben. Zwar werden dadurch deutlich weniger Pestizide eingesetzt, allerdings können viele Farmer kaum von ihren Erträgen leben, zumal sich der Weltmarktpreis in den vergangenen zwei Jahren mehr als halbiert hat. „Es wäre fatal, wenn die Kokosöl-Produktion auf die gleichen Probleme zusteuert wie die Palmöl-Produktion“, schreibt der WWF in seinem Report. „Noch wächst die Fläche für Kokospalmen nur moderat, aber der Trend kann sich schnell ändern.“
Kokospalmen – Mit der Lebensdauer sinkt der Ertrag
Kokospalmen lassen sich durchschnittlich nach sechs Jahren erstmalig ernten, brauchen aber fast 15 bis 20 Jahre, um ihren maximalen Ertrag zu erzielen. Mit zunehmender Lebensdauer (bis zu 90 Jahre) sinkt allerdings der Ertrag. Auf einem Hektar Land stehen in der Regel rund 100 Kokospalmen, die bis zu vier Mal pro Jahr von geübten Kletterern geerntet werden können. Nach der Ernte müssen die geernteten Früchte innerhalb von 24 Stunden für die Mühle weiterverarbeitet werden, ansonsten besteht die Gefahr, dass sie verderben.
Der Aufwand ist groß, der Ertrag dagegen gering. Allerdings hat die angebaute Sorte und die Anbauart einen großen Einfluss auf den Ertrag. Versuchsfarmen der Philippine Coconut Authority (PCA) konnten mit einigen Sorten unter optimalen Bedingungen bereits einen Ertrag von 3,3 Tonnen pro Hektar erzielen – eine Vervielfachung gegenüber den durchschnittlichen 0,7 Tonnen pro Hektar. Auf den Plantagen befinden sich allerdings oft ältere Palmen, die ihren Ertragshöhepunkt bereits hinter sich haben. Weil den Farmern nicht die Mittel zur Verfügung stehen und angesichts der niedrigen Erträge auch nicht die Motivation, werden viele Plantagen nicht erneuert.
Zertifizierte Lieferketten sind möglich
Noch ist der Anteil zertifizierten Kokosöls niedrig, allerdings gibt es ihn. Rund 7.000 Tonnen Kokosöl werden jährlich nach den Kriterien der Rainforest Alliance zertifiziert. Seit 2011 versucht die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) zusammen mit Partnern aus der Wirtschaft, wie BASF, Cargill und Procter & Gamble in den Hauptanbauländern Strukturen für eine nachhaltig zertifizierte und transparente Lieferkette für Kokosöl aufzubauen. In Zusammenarbeit mit den Farmern sollen die Anbaumethoden verbessert werden, um eine höhere Produktivität zu erreichen und damit die finanzielle Lage der Farmer zu verbessern. Dafür wurden zwischen 2015 und 2019 mehr als 4.100 Farmer in besseren Anbaumethoden geschult. 1.600 erhielten nach weiteren Schulungen eine Rainforest Alliance-Zertifizierung. Die zertifizierten Landwirte sollen nach Angaben der Initiatoren im Durchschnitt ihr Einkommen um 47 Prozent erhöht haben. 2019 ist das Programm ausgelaufen.
Eis genießen können
Verbrauchern rät der WWF beim Einkauf von industriellem Speiseeis auf eine Bio- oder Fairtrade-Zertifizierung zu achten. Zudem haben sich abseits der großen Hersteller inzwischen kleinere Marken etabliert, die nachhaltig produzierte Eissorten in den Handel bringen. Zudem gibt es noch die klassische Eisdiele um die Ecke. Welchen Nachhaltigkeitsanspruch diese verfolgen, lässt sich nur mit nachfragen herausbekommen. Allerdings benötigen Eisdielen für ihre Produktion in der Regel kein Kokosfett, weil sie ihr Eis täglich frisch zubereiten. Auch wenn die Anzahl der Eisdielen in den vergangenen zehn Jahren deutlich zurückgegangen ist, so erfreuen sie sich an den heißen Sommertagen immer noch großer Beliebtheit. Wer also bedenkenlos sein Eis schlecken will, der geht zur Eisdiele um die Ecke.
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Ich wollte schon immer mehr wissen über Eis Lieferant. Ich denke, das ist etwas, über das jeder mehr wissen sollte. Ich werde diesen Artikel auch mit meinem Onkel teilen. Das interessiert ihn auch.