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Grenzgänger – Rassismus in der Werbung

Werbung Rassismus
Wenn sich Stereotype auf die Hautfarbe beziehen, wird die Grenze zum Rassismus schnell überschritten. © Markus Spiske/unsplash

Werbung spielt mit Stereotypen, reizt dabei manchmal die Grenzen des guten Geschmacks aus und oft auch die Grenze zum Rassismus. Beispiele der letzten Wochen belegen dies. Es ist eine Mischung aus strukturellem Rassismus und Gedankenlosigkeit. Mehr als 600 schwarze Werbefachleute in den USA wollen das ändern.

Grenze zum Rassismus schnell überschritten

Werbung muss komplexes Leben in einfache Bilder und auf markante Claims reduzieren, um eine Botschaft zu vermitteln. Ein wirksames Instrument dafür sind Stereotype. Eine Gratwanderung, die immer wieder zu kleinen und großen Skandalen führt. Wenn sich die Stereotype auf die Hautfarbe beziehen, wird die Grenze zum Rassismus schnell überschritten. Die Gründe dafür sind vielschichtig, aber eine mögliche Ursache könnte darin begründet sein, dass Schwarze in kreativen Prozessen zu wenig Gehör finden.  

Genau an dieser Stelle setzt eine Initiative der beiden schwarzen US-Amerikaner Nathan Young und Bennett D. Bennett an. Beide arbeiten in der amerikanischen Agenturszene, Young bei Periscope in Minneapolis, Bennett bei Aerialist in New York. In einem offenen Brief „A Call For Change“ richten sie sich an die Chefs der amerikanischen Werbeagenturen und fordern echte Gleichberechtigung ein.

Alle bisherigen Bemühungen mehr Gleichberechtigung in der Werbeszene zu etablieren hätten kaum Fortschritte gebracht. Jetzt sei es an der Zeit „schwarze Stimmen“ zu einem gleichberechtigten Teil in kreativen Prozessen zu machen. Dabei betrachten Young und Bennett das Problem noch viel grundlegender und sehen ebenso Frauen in einer stark benachteiligten Rolle. 12 Punkte schlagen die beiden Werber in ihrem Brief vor, der inzwischen von mehr als 600 Werbern in den USA unterzeichnet wurde.  

Einstieg in einen offenen Dialog

Zu den kritischsten Punkten rechnen die beiden Initiatoren die Transparenz über Daten zur Vielfalt in den Agenturen. Bislang werden diese nicht erhoben, deshalb sei es auch noch nicht möglich, das Problem in seiner gesamten Ausdehnung zu erfassen. „Wenn wir die Daten haben, können wir damit beginnen die Probleme zu identifizieren und zu lösen“, so Young und Bennett. Grundsätzlich appellieren sie an die Agentur-Chefs einen offeneren Umgang mit dem Thema zu ermöglichen, Angestellte und Führungskräfte zu sensibilisieren und das Thema bereits in der Ausbildung zu etablieren. Eine gerechte Bezahlung gehört natürlich auch dazu. Dabei verstehen Young und Bennett ihre 12 Maßnahmen nicht als To-Do-Liste zum Abhaken, sondern als Einstieg in einen offenen Dialog.

Zu welchen Entgleisungen eine fehlende Sensibilität führt, das wird am Beispiel Volkswagen sehr deutlich. Ein kurzer Instagram-Werbefilm für den neuen Golf hat den Skandal ausgelöst. Das Video (inzwischen gelöscht) bietet gleich an mehreren Stellen Anhaltspunkte für einen zumindest latenten Rassismus. Ein große weiße Hand schiebt einen schwarzen Mann rum und schnippt ins schließlich weg, die Bar, vor der sich diese Szene abspielt, heißt „Petit Colon“ und schließlich lässt sich für den Bruchteil einer Sekunde das Wort „Neger“ im eingeblendeten Claim lesen. Der Golf spielt eigentlich keine Rolle, ist mehr Kulisse als Akteur.

Gedankenlosigkeit ermöglicht rassistsche Werbung

Dass es sich bei dem Video um einen bewussten Akt der rassistischen Diskriminierung handelt, darf bezweifelt werden. Die Idee ist einfach zu dämlich um tatsächlich das Ergebnis eines ernsthaften Kreativprozesses zu sein. Fraglich ist vielmehr, wie konnte so ein Film produziert werden und dann tatsächlich von Entscheidungsträgern abgenommen und verbreitet werden.

Toby Pschorr, CEO der verantwortlichen Agentur Voltage hat sich in einem Facebook-Post öffentlich entschuldigt. „Das Instagram Post entspricht in keiner Weise dem ethischen und moralischen Anspruch unserer Agentur und hat bei vielen Menschen zurecht Empörung und Unverständnis ausgelöst. „Ich bin entsetzt und zutiefst betroffen, wie so etwas in unserem Verantwortungsbereich geschehen konnte“ so Pschorr. Wie es zu der Produktion und Verbreitung kommen konnte, will die Agentur vollständig aufklären und auch die notwendigen Konsequenzen ziehen. Zudem will man bei Voltage die Freigabe-Prozesse überarbeiten, um solche Vorfälle zukünftig zu vermeiden.

„Unsere Kontrollen reichen offensichtlich nicht aus, wenn es um eine ethische Bewertung geht.“

Jürgen Stackmann, Vorstand Volkswagen Pkw Vertrieb, Marketing und After Sales

Genau darauf will auch Volkswagen seine Konsequenzen konzentrieren. „Unsere Kontrollen reichen offensichtlich nicht aus, wenn es um eine ethische Bewertung geht. Wir haben erkannt, dass wir noch viel sensibler hinterfragen müssen, ob Inhalte potenziell diskriminierend, verletzend oder verstörend auf Menschen wirken können“, sagt Jürgen Stackmann, Vorstand Volkswagen Pkw Vertrieb, Marketing und After Sales. Deshalb will der Autobauer seine Freigabe-Prozesse so umgestalten, dass zukünftig die Produktion und Veröffentlichung von unangemessenen Inhalten ausgeschlossen wird. „Wir haben die rassistischen Elemente dieses Videos nicht erkannt“, bestätigt Jochen Sengpiehl, Chief Marketing Officer bei Volkswagen. „Eine zentrale Erkenntnis der Untersuchung ist, dass wir eine Prüfung außerhalb des Kontextes brauchen.“ Künftig müsse jeder Clip auch ohne Gesamtzusammenhang unmissverständlich und unkritisch sein. Spezielle Schulungen der beteiligten Mitarbeiter, auch auf Agenturseite, sollen für die erforderliche Sensibilität sorgen.

Haltung gewinnt

Einen anderen Weg geht Procter & Gamble und mischt sich mit einem neuen Spot in die gesellschaftliche Debatte um Rassismus ein. „The Choice“ heißt der einminütige Spot, der sich an die schweigende Mehrheit richtet. Leise und wenig aufdringlich macht der Spot klar, dass es nicht mehr reicht kein Rassist zu sein, jetzt sei die Zeit der Anti-Rassisten, die Zeit aktiv gegen Rassismus vorzugehen. Der Spot ist der Dritte in einer Reihe ähnlicher Filme („The Talk“ und „The Look“) die Procter & Gamble in den vergangenen Jahren produziert hat.

Ernsthafte Haltung funktioniert im Gegensatz zu Stereotypen immer. Dennoch wird Werbung auch zukünftig nicht ohne Vereinfachung auskommen. Dies unter Achtung aller Grenzen, auch der des guten Geschmacks, zu bewerkstelligen erfordert einfach vorurteilsfreie Kreativprozesse. Insofern ist die Initiative von Young und Bennett mehr als überfällig. Zumal Rassismus und andere Formen der Diskriminierung häufig Hand in Hand gehen.

Stereotype vermeiden

Beim deutschen Werberat blieb Geschlechterdiskriminierende Werbung auch im vergangenen Jahr der Schwerpunkt der Beschwerden. Die Diskriminierung von Personengruppen lag an dritter Stelle der Beschwerdestatistik. Damit ist in den meisten Fällen diskriminierende Werbung aufgrund der Herkunft gemeint. Gradmesser für den Werberat ist in erster Linie, wenn die Werbung sich in abwertender Weise mit Personen oder Personengruppen beschäftigt.

Beschwerdebilanz 2019 Werberat

Stereotype sind in den heutigen aufgeklärten Gesellschaften nach wie vor weit verbreitet. In einer gemeinsamen Studie des Marktforschungsinstituts YouGov und dem Online-Händlers Zalando wurde sogar eine Zunahme festgestellt. Die Mehrheit der Umfrage-Teilnehmer sah in den Medien eine Hauptursache, wobei 57 Prozent konkret auf Film- und Fernsehsendungen sowie 60 Prozent auf Werbung verweisen. Zalando will neue Wege gehen und hat dafür den Begriff der Zerotypes eingeführt. “Wir sind der Meinung, dass Stereotypen in der modernen Gesellschaft keinen Platz haben“, sagt Jonny Ng, Director Marketing Strategy & Campaigns bei Zalando. “Zerotypes stehen für die Überzeugung, dass die Menschen frei sein sollten, so zu sein, wie sie sind ohne spezifische Typen, Erwartungen oder Grenzen, die sie definieren könnten. Free to be.“



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